Lesedidaktische Grundlagen

Basierend auf aktueller Wissenschaft

Lesedidaktik ist die Lehre vom Lehren und Lernen im Bereich des Lesens. Sie beschreibt die Prozesse und Förderansätze, die es benötigt, um effizient und nachhaltig Lesen zu lernen. Unser größtes Anliegen ist es somit, auf dieser Basis möglichst vielen Kindern den Zugang zum Lesen zu ermöglichen.

Smarter Methoden-Mix für beste Ergebnisse

Im deutschsprachigen Raum existieren bereits einige Förderansätze, die sich sogenannte Lautleseverfahren zunutze machen. Zu diesen zählen das Tandemlesen, das Vorlesetheater, Vorlesen und Mitlesen, der Ich-Du-Wir-Würfel und das Hörbuchlesen.[1]

Unsere Leseförderplattform vereint gleich mehrere der hier genannten Methoden: Durch das Arbeiten in Zweierteams entsteht eine Art des Tandemlesens, denn die Teams werden mithilfe des Systems in Paare mit ungefähr gleichem Lernstand zusammengesetzt. So können sich die Lernenden bei Problemen stets ergänzen und unterstützen. Des Weiteren bieten die eingesprochenen Texte und Textpassagen die Möglichkeit des Vorlesens und Mitlesens, denn jeder gesprochene Text erscheint auch visualisiert auf dem Bildschirm und kann von den Lernenden mitgelesen werden. Das Belohnungssystem sieht außerdem vor, dass jede erfolgreich abgeschlossene Lerneinheit mit einem freigeschalteten Hörbuchabschnitt belohnt wird, das sich die Kinder nach der Methode „Lesen durch Hören“ erarbeiten.

Doch die digitale Leseförderplattform vereint nicht nur mehrere Lautleseverfahren in sich, sie bedient auch in entscheidendem Maße die Ebenen des Mehrebenenmodells von Cornelia Rosebrock und Daniel Nix.

[1] Vgl. hierzu vertiefend: Gailberger, S./Nix, D. (2013), S. 57.

Mehrebenenmodell des Lernens

Cornelia Rosebrock und Daniel Nix teilen die Lesefähigkeit in drei Ebenen, die sich maßgeblich unterscheiden und dennoch miteinander interagieren. [1] Auf der Prozessebene repräsentiert sind die Buchstaben-, Wort- und Satzerkennung ebenso wie die Bildung lokaler und globaler Kohärenzen oder die Ausbildung mentaler Modelle. [2] Kurz gesagt also all jene Prozesse, die während des Lesens (oftmals zeitgleich) stattfinden und die nötig sind, um Buchstaben, Wörter, Sätze und Texte dekodieren und auf eben dieser Prozessebene verstehen zu können. 

Die Prozessebene wiederum ist geteilt in hierarchieniedere Prozesse, wie die Buchstaben- und Worterkennung und die Bildung lokaler Kohärenzen, die dem Lesen auf Satzebene entspricht, und hierarchiehöhere Prozesse, wie der Bildung globaler Kohärenzen auf Textebene oder gar textübergreifend. Auch die Ausbildung mentaler Modelle zählt zu jenen hierarchiehöheren Prozessen und obliegt kompetenteren Leserinnen und Lesern. Die Plattform nimmt diese Prozesse in mehreren Spielen auf: einige Spiele fördern unter anderem auf der Buchstaben- und Wortebene, andere Spiele fördern lokale und globale Kohärenzen.

Die Subjektebene ist nach Cornelia Rosebrock und Daniel Nix jene Ebene, auf der die Leserin oder der Leser als Individuum in den Leseprozess integriert wird. Die Lesesozialisation und deren (Miss-)Erfolg ist ein entscheidender Faktor, wie die Interaktion zwischen dem Lesenden und dem Gelesenen auf der Subjektebene stattfinden kann. Außerdem müssen die Lesenden in der Lage sein, auf ihr Vor- und Weltwissen zurückzugreifen und ihre Erfahrungen reflektieren. Durch die „innere Beteiligung“ [3] des Lesenden soll ein lesebezogenes Selbstkonzept erstellt werden, das die Haltung des jeweiligen Beteiligten zum Lesen auf der Basis der Erfahrungen und der Reflexion dieser widerspiegelt. 

 

 

[1] Vgl. Rosebrock, C./Nix, D. (2020).

[2] Vgl. Rosebrock/Nix (2020), S. 19.

[3] Rosebrock, C./Nix, D. (2020), S. 21

Mit dieser Haltung und Einstellung geht insbesondere die Motivation eines jeden Einzelnen zu lesen einher, welche wiederum ein Zusammenspiel aus Engagement des einzelnen Lesenden und dessen (positiver oder eben auch negativer) Vorerfahrung ist, die mit dem Lesen gemacht wurde. Diese Ebene kann uns also einen Eindruck davon geben, „was das Lesen von Schülerinnen und Schülern positiv (oder eben negativ) beeinflusst“. [1] Unsere Plattform bedient diese Ebene durch die enthaltenen, motivierenden Aspekte wie bspw. das Belohnungssystem, die Faktoren der Gamification und das gemeinsame Lautlesen. Auch sind die Schüler durch das Arbeiten in Teams mit ständiger Reflexion über sich selbst und die/den Partner konfrontiert. Zusätzlich bieten die zu erarbeitenden Geschichten starken Lebensweltbezug, denn sie behandeln alltägliche Situationen und Probleme (und deren mögliche Lösungen), mit denen auch die Lernenden von Zeit zu Zeit konfrontiert werden könnten. 

 

Die dritte und letzte Ebene des Mehrebenenmodells von Cornelia Rosebrock und Daniel Nix ist die Soziale Ebene, die sich vor allem durch Anschlusskommunikation mit Mitmenschen auszeichnet. Der Wunsch des einzelnen Individuums nach „sozialer Teilhabe“ [2], welche nicht nur von Schullektüre und der damit ‚erzwungenen‘ Anschlusskommunikation geprägt ist, sondern auch von Freizeitlektüre und dem damit verbundenen Verlangen, ‚mitreden‘ zu können, steht im Zentrum dieser Ebene. Hinzu kommt, so Steffen Gailberger, dass „Faktoren wie Familie, Schicht und Ethnie resp. Muttersprache (Gölitzer 2005) […] Lese(erwerbs-)biographien nachhaltig“  [3] beeinflussen.

Auch hier beinhaltet die betrachtete Leseförderplattform Elemente, die der Sozialen Ebene zuzuordnen sind: Durch das kooperative/dialogische Lernen findet eine direkte Anschlusskommunikation statt. Auch die Belohnung durch das stets aktuelle Hörbuch dient dieser. Die Digitalisierung ermöglicht, dass mit der Plattform auch das Lernen außerhalb der Schule stets möglich ist, sodass Lernen auch über die Schule hinaus stattfinden kann, wenn die Schülerinnen und Schüler Interesse und Spaß daran haben.

Auch wenn die drei Ebenen getrennt voneinander zu beschreiben sind, sind sie nicht unabhängig voneinander zu betrachten, sondern beeinflussen sich gegenseitig: Hat ein Lernender auf der Subjektebene keine Motivation bzw. keinen Bezug zum Lesen oder einen Lesesozialisationsprozess durchlebt, der sie oder ihn zu einer Wenig-Leserin oder einem Wenig-Leser gemacht hat, kann sich dies auch negativ auf die Abläufe auf Prozessebene auswirken. Dass eine Peer-Group sich maßgeblich auf die Motivation oder Nicht-Motivation und die Interessensgebiete einer Person auswirken kann, ist nicht neu. So lässt sich feststellen, dass „[d]ie soziale Ebene […] damit in hohem Maße dafür verantwortlich gemacht werden [kann], wie gut es einer Person gelingt, sich das Lesen – und später dann die Lesekompetenz – anzueignen“.  [4]

Jede der vorgestellten Ebenen sollte aufgrund ihrer unterschiedlichen Bereiche mithilfe eigener Verfahren gefördert werden, um ein bestmögliches Ergebnis und eine möglichst hohe Lesekompetenz zu erzielen. „[F]alsche Förderverfahren zur falschen Zeit bei falsch diagnostizierten Schülerinnen und Schülern können zum Gegenteil dessen führen, was eigentlich erreicht werden soll“. [5] Wie oben dargestellt, bedient die Lernplattform alle Ebenen des Mehrebenenmodells.

 

 

 

[1] Gailberger, S. (2013), S. 48.

[2] Rosebrock, C./Nix, D. (2020), S. 22

[3] Gailberger, S.  (2013), S. 49

[4] Gailberger, S. (2013), S. 49.

[5] Gailberger, S. (2013), S. 47. Nach Rosebrock,

C./Nix, D. (2008), S. 91